Der Ruf nach Eintracht
„Ein Ruf nach Eintracht“ titelte Dr. Goullon in der Neujahrsausgabe der Allgemeinen Homöopathischen Zeitung (AHZ) von 1859 und fragte sich „Woher aber diese Erbitterung gegen wesentlich Gleichdenkende und nach einem Ziel strebende?“ - Das könnte man sich bei Auseinandersetzungen unter Homöopathen auch heute manchmal fragen.
Fakt ist, die über 200jährige Geschichte der Homöopathie ist komplex und geprägt von verschiedenen personellen Faktoren. Das Ineinandergreifen von sich wandelnden soziologischen, kulturellen, wissenschaftlichen, ökonomischen, politischen und religiösen Rahmenbedingungen bestimmte ihre Entwicklung. Dabei erlebte die Heilmethode in verschiedenen Regionen der Welt wiederholt Phasen von Aufschwung, Blütezeit und Rückgang der Popularität.
Unstimmigkeiten mit Spaltungs- und Abgrenzungs-Tendenzen unter den Homöopathen begannen schon ganz früh und durchziehen die Geschichte. Je nachdem ob man die Homöopathie-Geschichte von einem historischen, naturwissenschaftlichen oder weltanschaulichen Standpunkt aus betrachtet, wird man unterschiedliche Gründe für die Diskrepanzen die Anhänger verschiedener Richtungen ausmachen. Neben dem inhaltlichen Dissens spielten zu jeder Zeit auch gruppendynamische Prozesse eine Rolle.
Die Anhänger der Homöopathie mussten sich von Anbeginn mit Gegnern auseinandersetzen. Auf verschiedenen Wegen versuchten Zeitgenossen, sie zu widerlegen, zu verhindern oder lächerlich zu machen. Zu diesen Angriffen von außen kamen typische interne Konflikte, oft Rollen- und Rangkonflikte. Denn Samuel Hahnemann hat keine fertige und widerspruchsfreie Methode entwickelt. Ungelöste Probleme, Widersprüche und Paradoxien waren und sind Reibungspunkte und Triebfedern für die Weiterentwicklung. Leider sah Hahnemann mit zunehmendem Alter sein Lebenswerk nicht nur durch die äußeren Gegner, sondern auch von innen gefährdet. Mit seiner teilweise wenig feinfühligen und autoritären Haltung trug er selbst zu den frühen Verwerfungen bei.
Sind Eintracht und längerfristige Kontinuität überhaupt möglich? Würde „Eintracht“ unter den Homöopathen zu mehr Kontinuität führen? Oder würden sie die Weiterentwicklung eher lähmen?
Einfache Antworten gibt es nicht. Aber der folgende Rückblick über die Anfänge der Homöopathie, regt vielleicht zum Nachdenken an.